Gemeinschaftspraxis: Abfindung trotz Nachfolger-Mangel?

Keine Seltenheit mehr: Ein Partner einer Gemeinschaftspraxis scheidet aus Altersgründen aus der Praxis aus und verlangt die im Gemeinschaftspraxis-Vertrag festgeschriebene Abfindung. Die verbleibenden Partner stellen jedoch fest, dass es kaum möglich ist, einen Nachfolger zu finden. Denn die Praxis liegt abseits der Großstädte und es mangelt an ärztlichem Nachwuchs. Sie verweigern darauf hin die Zahlung einer Abfindung mit Hinweis auf die fehlende Verwertbarkeit des zur Disposition stehenden Praxisanteils. In dieser Situation führt beide Seiten der Weg in der Regel zu einem Juristen. Je nach Qualität des vorhandenen Gemeinschaftspraxis-Vertrags lässt sich eine Lösung bzw. ein Kompromiss nur schwierig finden.

Nach unserer Erfahrung ist bei der streitigen Auseinandersetzung die saubere Abgrenzung von verschiedenen Praxiswert-Begriffen hilfreich. Denn Praxiswert ist nicht gleich Praxiswert.

Zum einen existiert der Begriff des „Ertragswertes“. Der Ertragswert ist der abgezinste Wert der künftigen Praxiserträge. Eine Praxis, die mit betriebswirtschaftlichem Gewinn arbeitet, verfügt daher stets über einen Ertragswert – auch bei fehlender Veräußerbarkeit. Im Fall eines Inhaberwechsels wird hingegen der sogenannte „Verkehrswert“ der Praxis relevant. Der Verkehrswert ist der Wert, der „im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Bewertungsgegenstandes (hier eine Praxis) bei einer Veräußerung zu erzielen wäre.“ (Quelle: Der Sachverständige 11/2011, S. 348). Voraussetzung für die Existenz eines Verkehrswertes ist das Vorhandensein eines Marktes für Praxisübergaben. Existiert in einer Region und für eine Fachgruppe ein solcher Markt nicht, existiert gemäß Definition auch kein Verkehrswert.

Bei einem Inhaberwechsel in einer Gemeinschaftspraxis hat der ausscheidende Partner ein Interesse an der Vergütung seines Ertragswertes, für die verbleibenden Partner ist hingegen der Verkehrswert entscheidend, also der Marktwert, den ein neu beitretender Partner zu zahlen bereit ist. Bis vor wenigen Jahren trat diese unterschiedliche Perspektive selten zutage, der Ertragswert war in der Regel identisch mit dem Verkehrswert. Denn der Markt für Praxisübergaben war bundesweit intakt.

Seit Praxisübergaben insbesondere in ländlichen Regionen zunehmend problematisch bis unmöglich werden, ist der Markt für Praxisübergaben jedoch teilweise zusammen gebrochen. Die Gleichung: Ertragswert = Verkehrswert gilt hier nicht mehr. Es existieren also Praxen, die sehr wohl über einen Ertragswert, nicht aber über einen Verkehrswert verfügen. Die Folge sind die oben beschriebenen Konflikte zwischen Praxispartnern.

Bei unklarer vertraglicher Situation hinsichtlich der Frage, wer das Verwertungsrisiko eines Praxisanteils trägt, liegt die natürlich Kompromisslinie also zwischen Verkehrs- und Ertragswert. Betriebswirtschaftlich angemessen kann es sein, denn Verlust des Ertragswertes eines Praxis-Anteils (bspw. eines Drittelanteils in einer 3er-Gemeinschaftspraxis) zu akzeptieren und gemeinschaftlich anteilig zu tragen. Die vertraglich zugesicherte Abfindung des ausscheidenden Partners würde dann gemindert, jedoch nicht gänzlich gestrichen.

Tipp: In verfahrenen streitigen Situationen kann eine Schlichtung als letzte Maßnahme ein kostspieliges Gerichtsverfahren in manchen Fällen verhindern. Sprechen Sie uns bei Bedarf an und verlangen Sie unser Angebot für eine neutrale Mediation.


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