Gemeinschaftspraxis darf sich Zentrum nennen

In begrüßenswerter Deutlichkeit hat sich unlängst das Landesberufsgericht für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen den Liberalisierungstendenzen des ärztlichen Berufsrechts in der aktuellen Rechtsprechung angeschlossen. Dabei hat das OVG NW insbesondere zur Kenntnis genommen, dass sich das Bild des Patienten von einem eher unwissenden und unkritischen Patienten gewandelt hat, hin zum gut informierten und aufgeklärten „Partner“ des Behandlungsvertrages.

Der richtungsweisenden Rechtsprechung lag ein Fall zu Grunde, in dem zwei Fachärzte für Allgemeinmedizin ihre Gemeinschaftspraxis als „Hausarztzentrum (Stadtteilname)“ bezeichneten. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe sah hierin eine berufswidrige Werbung, da die Bezeichnung als Zentrum von potentiellen Patienten als Ausdruck für Größe und Bedeutung der Praxis, insbesondere im Vergleich zu anderen Arztpraxen, verstanden werde. Um eine solche Praxis, die in ihrer Bedeutung und Leistungsfähigkeit über dem Durchschnitt vergleichbarer Hausarztpraxen liege, handele es sich tatsächlich aber nicht, so dass die Verwendung des Begriffs „Hausarztzentrum (Stadtteilname)“ irreführend sei und bei den Patienten eine falsche Vorstellung hervorrufe.

Das OVG NW erteilte den Ansichten der Ärztekammer auch in zweiter Instanz eine klare Absage: Die von der Ärztekammer vertretene Rechtsansicht führe zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Grundrechte der betroffenen Ärzte. Es seien keine Allgemeinwohlbelange ersichtlich, die ein Verbot der Bezeichnung als „Zentrum“ rechtfertigen könnten. Eine Gefahr der Irreführung liege fern, da der Begriff des „Zentrums“ einen Bedeutungswandel erfahren habe, der auch der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben ist. Bereits das SGB V sehe vor, dass schon der Zusammenschluss zweier Fachärzte als „Medizinisches Versorgungszentrum“ bezeichnet werden dürfe. Dies verdeutliche, dass jedenfalls im Bereich der ärztlichen Berufsausübung der überkommene Zentrumsbegriff, wie ihn die Ärztekammer versteht, nicht mehr gelte. Eine berufswidrige Werbung liege daher nicht vor.

(Landesberufsgericht für Heilberufe beim OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.09.2008, 6 tE 429/08 T)

Praxistipp: Der Beschluss des OVG NW ist uneingeschränkt zu begrüßen. Angesichts der Einführung der Medizinischen Versorgungszentren war zu erwarten, dass die Rechtsprechung zur Zentrumsbezeichnung auch im Arztwerberecht die notwendige Liberalisierung erfahren wird. Möchten Sie nun auch künftig als „Zentrum“ unter Zusatz der Ortsbezeichnung Ihrer Niederlassung werben, dürfen Sie nicht den Eindruck erwecken, dass in Ihrem „Zentrum“ sämtliche Ärzte Ihrer Fachgruppe, die in der Region Ihres Praxissitzes niedergelassen sind, zusammengeschlossen sind. Es empfiehlt sich daher, auf dem Praxisschild, im Internet und in Zeitungsanzeigen die Namen der in Ihrem Zentrum tätigen Ärzte drucktechnisch etwas hervorzuheben, damit deutlich wird, dass etwa im „Hausarztzentrum Rodenkirchen“ nicht alle in Köln-Rodenkirchen tätigen Hausärzte – etwa in Form einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis – zusammengeschlossen sind.

Ungeachtet dessen bleibt die Bezeichnung als „Klinik“ nach wie vor nur solchen Institutionen vorbehalten, die tatsächlich für eine stationäre Aufnahme von Patienten geeignet sind und als Privatkrankenanstalt über eine entsprechende Konzession nach § 30 der Gewerbeordnung verfügen. In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Urteil vom 09.09.2008 (I-20 U 168/07) erneut betont, dass ein niedergelassener Arzt seine Praxis nicht als „Klinik“ bewerben dürfe, wenn nicht gleichzeitig eine stationäre Patientenaufnahme erfolgen könne und eine entsprechende Konzession nach § 30 der Gewerbeordnung vorliege.

Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
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