Herausgabe von Krankenakten – auf die Vollständigkeit kommt es an

Verlangt ein Patient seine Behandlungsunterlagen heraus, stellt sich dem Arzt häufig die Frage, ob und in welchem Umfang er diesem Verlangen nachkommen darf bzw. muss. Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 06.03.2015, Aktenzeichen: 243 C 18009/14, klargestellt, was im Hinblick auf die Vollständigkeit der Krankenunterlagen gilt.
 
Einsichtsnahmerecht des Patienten
Eine Patientin hatte sich einer Zahnbehandlung unterzogen und anschließend Beschwerden aufgrund einer beschädigten Krone, so dass der Verdacht eines Behandlungsfehlers im Raum stand. Sie wandte sich daher an ihre Krankenkasse, entband die Zahnärztin von ihrer zahnärztlichen Schweigepflicht und erklärte sich mit der Herausgabe der Krankenunterlagen an die Krankenkasse einverstanden. Diese forderte die Behandlungsunterlagen bei der Zahnärztin an, worauf die Zahnärztin jedoch nicht reagierte. Die Krankenkasse erhob daher Klage gegen die Zahnärztin auf Herausgabe der Krankenunterlagen in Kopie gegen Erstattung der Kopierkosten. Daraufhin legte die beklagte Zahnärztin einen Teil der Behandlungsunterlagen vor, jedoch waren die Kopien der Röntgenaufnahmen aufgrund schlechter Qualität nicht auswertbar. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht übergab die Zahnärztin schließlich den Ausdruck der elektronischen Patientenakte und erklärte, das Original der Röntgenaufnahmen könne die Patientin bzw. ein Vertreter der Krankenkasse in ihrer Praxis einsehen.
 
Darüber hinaus machte die Zahnärztin ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen geltend, da die Rechnung über die Behandlungskosten noch nicht bezahlt sei.
 
Arzt zur vollständigen Herausgabe der Unterlagen verpflichtet
Das Amtsgericht gab der klagenden Krankenkasse Recht und führte aus, dass Patienten einen Anspruch auf Einsicht in bzw. Überlassung der vollständigen Krankenunterlagen haben, ohne dass ein besonderes Interesse dafür dargelegt werden muss. Ohne die Einsicht in die Krankenunterlagen sei eine Durchsetzung möglicher Behandlungsfehleransprüche nicht möglich. Der betroffene Arzt ist daher verpflichtet, die vollständigen Behandlungsunterlagen herauszugeben, selbst wenn der Patient die Rechnung noch nicht bezahlt hat. Denn gerade in einem möglichen Verfahren wegen eines Behandlungsfehlers müsse erst geklärt werden, ob der Patient wegen eines Behandlungsfehlers überhaupt zur Zahlung der Arztrechnung verpflichtet sei.
 
Fazit
Das Urteil bestätigt die gesetzliche Regelung in § 630 g BGB (Patientenrechtegesetz), wonach Ärzte verpflichtet sind, den Patienten unverzüglich Einsicht in die vollständigen sie betreffenden Patientenunterlagen zu gewähren bzw. Kopien sämtlicher Behandlungsunterlagen gegen Erstattung der Kopierkosten den Patienten zur Verfügung zu stellen. Auf Wunsch sind auch elektronische Abschriften gegen Kostenerstattung zu erstellen. Muss ein Patient erst eine Herausgabeklage anstrengen, läuft der Arzt Gefahr, die entstehenden Gerichts- und Anwaltskosten des Patienten tragen zu müssen.
 
 
Quelle: RAin Rosemarie Sailer, LL.M., Fachanwältin für Medizinrecht, WIENKE & BECKER – KÖLN, Rechtsanwälte, Sachsenring 6, 50677 Köln, Tel.: 0221/3765-310, Fax: 0221/3765-312, www.Kanzlei-WBK.de


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