Neue Perspektiven? Das neue Vertragsarztrecht

Noch ist weiterhin offen, welchen Inhalt die anstehende Reform des Gesundheitssystems haben wird und wann sie kommt. Als sicher darf aber seit einiger Zeit gelten, dass sich das Vertragsarztrecht in zahlreichen Punkten ändern wird. Diese Änderungen mag man ohne Übertreibung als „Revolution“ bezeichnen.

Intention des Gesetzgebers ist es, ärztliche Kooperationen zu stärken und den ambulanten und stationären Sektor enger miteinander zu verzahnen.

Ärzte sollen sich nun auch vertragsarztrechtlich zu überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften zusammenschließen können. Dies soll über Bezirksgrenzen einer Kassenärztlichen Vereinigung hinweg möglich sein. Die Vertragsärzte können dabei die gemeinsame Tätigkeit auf einzelne Leistungen beschränken, soweit es sich bei diesen Teilleistungen nicht um überweisungsgebundene medizinisch-technische Leistungen handelt.

Die Möglichkeiten der Vertragsärzte, Kollegen anzustellen, werden erweitert. So sollen Vertragsärzte künftig Ärzte auch mit anderen Facharztbezeichnungen sowie mit individueller Arbeitszeitgestaltung anstellen können, sofern dem Zulassungsbeschränkungen nicht entgegenstehen. Im gesperrten Bezirk wird die Anstellungsmöglichkeit gegeben sein, wenn der anzustellende Kollege selbst eine Zulassung hat und zugunsten seines Arbeitgebers auf diese verzichtet. Der Arzt, der auf seine Zulassung verzichtet, muss zudem eine Leistungsbegrenzungserklärung abgeben, er darf also den Umfang seiner bisherigen Praxis auch als Angestellter nicht überschreiten. Bei Ausscheiden des Angestellten ist dem Arbeitgeber die Nachbesetzung des Sitzes möglich.

Vertragsärzte dürfen außerhalb ihres Vertragsarztsitzes an weiteren Orten (auch außerhalb ihres KV Bezirks) tätig sein – auch mit Unterstützung von hierfür angestellten Ärzten – wenn und soweit dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung am eigentlichen Praxisstandort nicht beeinträchtigt wird.

Da der sich aus der Zulassung ergebende Versorgungsauftrag eines Vertragsarztes grundsätzlich von einer hauptberuflichen Tätigkeit ausgeht, ist zur Flexibilisierung der beruflichen Möglichkeiten vorgesehen, den Versorgungsauftrag auf einen Teil einer hauptberuflichen Tätigkeit beschränken zu können.

Einige Maßnahmen sollen dem sich abzeichnenden regionalen Ärztemangel begegnen. Die derzeit bestehende Altersgrenze von 55 Jahren für die Erstzulassung von Vertragsärzten wird in Planungsbereichen, für die der Landesausschuss eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung festgestellt hat, aufgehoben. Ähnliches soll für die 68-Jahres Altersgrenze gelten, solange der Landesausschuss eine Unterversorgung festgestellt hat.

Von großer Bedeutung ist die Annäherung von ambulanter und stationärer Versorgung. Das bisherige Verbot, als Angestellter sowohl im Krankenhaus als auch im niedergelassenen Bereich zu arbeiten, wird aufgehoben. Krankenhausärzte können dann teilweise im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) oder bei Vertragsärzten, niedergelassene Ärzte nebenbei auch im Krankenhaus arbeiten.

Die wirtschaftliche Situation der Heilberufe in den neuen Ländern soll dadurch verbessert werden, dass der Vergütungsabschlag bei der Honorierung der Privatbehandlung in den entsprechenden staatlichen Gebührenordnungen aufgehoben wird.

Obgleich der vorliegende Gesetzentwurf noch verschiedene Hürden passieren muss und insbesondere auch der Anhörung der verschiedenen Verbände ausgesetzt ist, dürfte mit einem weitestgehend unveränderten In-Kraft-Treten zu rechnen sein. Damit ergibt sich für den Vertragsarzt schon heute ein recht klares Bild.

Die durch das neue Berufsrecht bislang nur „angedeuteten“ Kooperations- und Berufsausübungsmöglichkeiten werden durch ein modifiziertes GKV-Recht zum Leben erweckt. Konsequenz ist ein weiteres Zusammenwachsen von ambulanter und stationärer Versorgung. Damit einhergehen wird ein weiter wachsender Druck auf die traditionelle ärztliche Einzelpraxis. Zunehmend werden Stimmen laut, die die Einzelpraxis zum Auslaufmodell erklären. Die Frage, ob und wie hier zu reagieren ist, wird für die meisten Ärztinnen und Ärzte also früher oder später, mehr oder weniger freiwillig, auf der Tagesordnung stehen.

Quelle: RA Wolf Constantin Bartha, Fachanwalt für Medizinrecht, kwm kanzlei für wirtschaft und medizin,
Unter den Linden 24, 10117 Berlin,
www.kwm-rechtsanwaelte.de


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