SG Marburg: Keine Befreiung von der Teilnahme am ärztlichen Notdienst trotz belastender familiärer Situation

Das Sozialgericht (SG) Marburg hat mit Urteil vom 06.06.2013 – S 12 KA 7/13 -entschieden, dass eine Befreiung von der Teilnahme am ärztlichen Notdienst nicht allein aufgrund erheblicher familiärer Belastungen in Betracht kommt. Zur Begründung verwies das Gericht auf die zumutbare Möglichkeit des Vertragsarztes, auf eigene Kosten einen Vertreter für den Notdienst zu bestellen.

Sachverhalt:
Ein mit einem Kollegen in Gemeinschaftspraxis vertragsärztlich tätiger Allgemeinmediziner hatte die Befreiung von der Teilnahme am ärztlichen Notdienst beantragt. Zur Begründung gab er an, eines seiner vier Kinder sei schwerstbehindert und werde ausschließlich von ihm selbst und seiner Frau zu Hause gepflegt, was an die Grenze der zeitlichen und körperlichen Belastbarkeit gehe. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) lehnte den Befreiungsantrag indes ab mit der Begründung, die Teilnahme am Notdienst sei dem Arzt aufgrund der nur geringen Diensteinteilung zumutbar. Hiergegen klagte der Familienvater vor dem Sozialgericht, blieb allerdings ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe:
Die Richter wiesen die Klage zurück und gaben damit der beklagten KV Recht: Diese sei verpflichtet, für bestimmte Zeiten, insbesondere die Wochenenden, einen Notfallvertretungsdienst zu organisieren und dazu eine Notdienstordnung zu erlassen. An diesem Notdienst habe jeder Vertragsarzt zumindest solange gleichwertig mitzuwirken, wie er in vollem Umfang vertragsärztlich tätig sei. Persönliche Umstände und Besonderheiten blieben dabei grundsätzlich außer Acht. Zwar sehe die Notdienstordnung Gründe vor, bei deren Vorliegen eine ganz- oder teilweise bzw. befristete Befreiung von der Teilnahme am Notdienst ausgesprochen werden könne. Dazu zählten insbesondere gesundheitliche Gründe, Schwangerschaft oder das Erreichen des 65. Lebensjahres, grundsätzlich aber auch besonders belastende familiäre Pflichten. Das Vorliegen eines dieser Gründe könne aber nur dann zu einer Befreiung von der Teilnahme am Notdienst führen, wenn er sich nachteilig auf die allgemeine berufliche Tätigkeit des Arztes auswirke, z. B. zu einer deutlichen Einschränkung der Praxisausübung geführt habe oder dem Vertragsarzt aufgrund seiner Einkommensverhältnisse (des Honorarumsatzes) nicht mehr zugemutet werden könne, den Notfalldienst auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen.

Da der Vertragsarzt nach den von der KV vorgelegten Umsatzzahlen eine im Wesentlichen durchschnittliche Praxis führte, nahm das Gericht an, dass seine familiäre Belastung insoweit nicht dazu geführt habe, dass er nur noch eine unterdurchschnittliche Praxis führen könne. Aus diesem Grund sei es ihm zumutbar, für die wenigen Termine im Jahr auf eigene Kosten einen Vertreter zu bestellen, der an seiner Stelle den Notdienst ableiste.

Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat wiederholt betont, dass es sich bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes um eine gemeinsame Aufgabe der Vertragsärzte handelt, die nur erfüllt werden kann, wenn alle niedergelassenen Ärzte unabhängig von der Fachgruppenzugehörigkeit und sonstigen individuellen Besonderheiten und ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen gleichmäßig herangezogen werden.

Quelle: RAin Rosemarie Sailer, LL.M. Medizinrecht
WIENKE & BECKER – KÖLN, Rechtsanwälte,
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