„Volkswirtschaftliche Bedeutung von IGeL“ – Prof. Dr. Dr. Oberender

Wir befragten Prof. Dr. Dr. Oberender (Dozent des 9. IGeL-Kongresses am 2.9.2006 in Köln) zum Thema „Volkswirtschaftliche Bedeutung von IGeL“.

Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Oberender ist Ordinarius für Volkswirtschaftslehre und Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth und Direktor der Forschungsstelle für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie an der Universität Bayreuth. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Markt- und Wettbewerbstheorie, Wettbewerbspolitik sowie der Gesundheitsökonomie und der Gesundheitspolitik.

Frielingsdorf Consult: Sind IGeL ein Zukunftsmarkt?

Prof. Dr. Dr. Oberender: Neben den umfangreichen Mängeln und Defiziten steht das deutsche Gesundheitswesen vielfältigen zukünftigen Herausforderungen gegenüber: Die Demographie (Vergreisung), der medizinische Fortschritt (Add-on-Technologie, Halfway-Technologie) sowie die europäische Integration (vier Grundfreiheiten) stellen eine enorme Herausforderung und damit auch Chance für das deutsche Gesundheitswesen dar. Der Bereich der privaten Zusatzangebote wird daher aus zwei Gründen an Bedeutung zunehmen.

Einerseits ist es die Möglichkeit, an der Budgetierung vorbei frühzeitig Innovationen ins Gesundheitssystem zu implementieren. Andererseits können individuelle Angebote der wachsenden Präferenzorientierung im Gesundheitswesen Rechnung tragen. Gleichwohl gilt es anzumerken, dass gerade im letzten Punkt auch die Grenze von IGeL-Leistungen liegen wird. Die asymmetrische Information zwischen Arzt und Patient bleibt trotz verstärkter Informationsangebote bestehen, es wird für den Patienten also folglich an Bedeutung zunehmen, dass er sich hinreichender Informationsagenten bedienen kann. Dies kann die Krankenversicherung sein, die bereits heute auch im GKV-Bereich in Kooperation Wahlleistungen anbietet. Auch die Zertifizierung und die Standardisierung von IGeL-Leistungen werden an Bedeutung gewinnen müssen.

Frielingsdorf Consult: Gibt es Zahlen, welchen Anteil IGeL am Bruttoinlandsprodukt (BIP) haben?

Prof. Dr. Dr. Oberender: Laut einer Untersuchung des WidO liegt für das Jahr 2004 die Häufigkeit angebotener Privatleistungen bei ca. 23 Prozent aller ambulanten Leistungen. Im Gesundheitswesen wird sich noch viel stärker als jetzt eine Zweitteilung der Absicherungs- und Versorgungsangebote bemerkbar machen. Zum einen wird der Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch die Beitragssatzstabilität einem sehr engen Korsett unterworfen, während der Bereich der Wahlleistungen, der keiner solchen Begrenzung unterliegt, ein jährliches Wachstum von 8 bis 10 % aufweist. IGeL-Leistungen sind an diesem Bereich der Wahlleistungen als ein Teilmarkt mit ca. 1 Mrd. € Umsatz pro Jahr abzugrenzen.

Frielingsdorf Consult: Sind marktwirtschaftliche Regeln mit der ärztlichen Ethik vereinbar?

Prof. Dr. Dr. Oberender: Es ist sehr vordergründig, einen Konflikt zwischen marktwirtschaftlichen Regeln – verstanden als ökonomisches Handeln – und ärztlicher Ethik zu konstatieren. Aufgabe eines ökonomischen Entscheidens ist es, trotz aller Schwierigkeiten einer Bewertungsdimension bei knappen Ressourcen, die auch im Gesundheitswesen vorhanden sind, eine für den Nachfrager, d. h. den Patienten, bestmögliche Situation herbeizuführen. Auch wenn eine derart idealisierte Beschreibung im institutionellen Kontext eingebettet werden muss, bleibt doch die ethische Konsequenz des ökonomischen Handelns, die Verantwortung über knappe Ressourcen zu bewerten.

Ein scheinbarer Widerspruch zwischen Ökonomie und Medizin entsteht vor allem dann, wenn politische Zwänge dem Arzt eine implizite Rationierungsaufgabe – beispielsweise durch entsprechende Budgetdeckel – übertragen. Es gilt also, gerade die Rahmenbedingungen zu implementieren, die es ermöglichen, ärztliche Behandlungshoheit und patientenorientierte Qualitätsansprüche zu kombinieren. Ein marktwirtschaftlich orientierter Wettbewerbsprozess unter Versorgungskonzeptionen bietet hierfür eine gute Chance. Notwendig bleiben freilich institutionelle Rahmenbedingungen, die einen Austausch ermöglichen. So gilt es, Vorgaben für die Bewertung von Zertifizierungen und Rezertifzierungen zu übernehmen und auch gesundheitspolitische Versorgungsziele zu definieren.

Tipp: Am 2. September 2006 findet in Köln der 9. IGeL-Kongress von Frielingsdorf Consult und Medwell statt. Neben medizinischen Fach-Vorträgen und Praxis-Workshops (z.B. Steuern und Recht) gibt es unter dem Oberthema „IGeL und Ethik“ eine Podiumsdiskussion mit hochkarätigen Diskutanten. Die medizinische Qualität der Veranstaltung wird sichergestellt durch einen Kongress-Beirat, dem verschiedene ärztliche Berufsverbände angehören. Das komplette Kongressprogramm finden Sie unter www.igel-kongress.de. Anmeldung ebenfalls im Internet, per Fax (0221 / 578 – 53 89) oder telefonisch (01805 / 4 68 4 68).

Übrigens: Für Ihre Helferinnen gibt es auf dem Kongress einen 2-stündigen Workshop „Erfolgreiches IGeLn – Teamwork zwischen Arzt und Praxisteam“

Und: Bei Anmeldungen über das Internet bis zum 31. Juli 2006 gewähren wir einen Frühbucherrabatt (EUR 59 statt EUR 79)!


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