Wirtschaftliche Aufklärungspflicht des Arztes

Neben der Selbstbestimmungs- und der Sicherungsaufklärung des Patienten gehört auch die Aufklärung über wirtschaftliche Risiken zu den Pflichten des Arztes. Hierbei handelt es sich um eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag, deren Schutzgut allein die Vermögensinteressen des Patienten sind. Diese Pflicht gewinnt in Zeiten, in denen sozialpolitische Entscheidungen zu Einschnitten in das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenkassen führen, zunehmend an Bedeutung, so dass nachfolgend die Anforderungen an die Aufklärungspflicht erläutert werden sollen.

Behandlung gesetzlich versicherter Patienten
GKV-Patienten gehen bei der Behandlung grundsätzlich von einer Kostenübernahme der Krankenkasse aus. Aus diesem Grund trifft den Arzt immer dann eine besondere Hinweispflicht, wenn ihm bekannt ist, dass die Krankenkasse die Kosten der Behandlung nicht übernimmt oder jedenfalls Probleme bei der Kostenübernahme zu erwarten sind. Eine „Nachforschungspflicht“ trifft den Arzt aber nicht.

Darüber hinaus besteht eine Pflicht zur wirtschaftliche Aufklärung auch dann, wenn eine Behandlungsalternative zur Verfügung steht, die höhere Erfolgschancen bietet, deren Kosten jedoch nicht von der GKV übernommen werden.

Dazu hat das OLG Oldenburg am 14.11.2007 (5 U 61/07) für den Bereich zahnprothetischer Behandlungen entschieden, dass der Zahnarzt den Patienten auf die Möglichkeit einer höheren Zuzahlung hinweisen müsse, sofern eine zahnprothetische Behandlungsalternative gegenüber der gesetzliche Regelversorgung höhere Erfolgschancen biete. Zwar hat das OLG in seiner Entscheidung offengelassen, ob dies in allen Fällen gelte, in denen Behandlungsalternativen nicht vom Leistungskatalog der GKV umfasst seien. Es empfiehlt sich in Anbetracht der möglichen Haftungsrisiken jedoch generell eine derartige Aufklärung.

Bei Selbstzahlerleistungen oder individuellen Gesundheitsleistungen darf der Arzt seine Vergütung vom Patienten unmittelbar fordern. Voraussetzung hierfür ist bei GKV-Patienten eine schriftliche Einwilligungserklärung nach § 18 Abs. 8 BMV-Ä. Danach darf der Vertragsarzt von einem Patienten eine Vergütung nur fordern, wenn und soweit der Patient vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden, der Vertragsarzt ihn auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen hat und er dies dem Vertragsarzt schriftlich vor Behandlungsbeginn bestätigt.

Aus diesem Grund muss der Patient vor Behandlungsbeginn darüber informiert werden, dass diese Leistung privatärztlich nach den Bestimmungen der GOÄ abgerechnet wird und die Rechnung vom ihm persönlich zu bezahlen ist, da die Behandlung nicht mit der Krankenkasse abgerechnet werden kann und auch kein Anspruch auf Kostenerstattung besteht.

Behandlung privat versicherter Patienten
Bei privat versicherten Patienten ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Dies folgt aus dem Umstand, dass bei privat versicherten Patienten das Liquidationsverhältnis unmittelbar zwischen Arzt und Patient besteht. Die Frage der Kostenerstattung berührt hingegen ausschließlich das Vertragsverhältnis zwischen dem Patienten und seiner PKV, welches sich der Kenntnis des Arztes entzieht.

Daher ist allgemein anerkannt, dass es dem Arzt unzumutbar ist, anhand der verschiedenen Versicherungsbedingungen zu überprüfen, ob die Kosten der Behandlung vom Umfang der Kostenerstattung gedeckt sind. Ist dem Arzt jedoch bekannt, dass die PKV oder Beihilfe die Kosten der Behandlung nicht übernimmt, besteht auch gegenüber dem Privatpatienten eine Hinweispflicht. Die Hinweispflicht gilt insbesondere, wenn keine medizinische Notwendigkeit für die Behandlungsmaßnahme besteht oder diese zweifelhaft ist.

Fazit:
Zwar ist es auch Aufgabe des Patienten, sich der Kostenerstattung durch seine Krankenversicherung zu vergewissern. Jedoch zeigen die vorstehenden Ausführungen, dass die wirtschaftliche Aufklärung durch den Arzt eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Unterbleibt diese oder genügt sie nicht den vorgeschriebenen Formerfordernissen, kann der Vergütungsanspruch entfallen. Daher ist es wichtig, neben der Selbstbestimmungs- und Sicherungsaufklärung auch erhöhten Wert auf die wirtschaftliche Aufklärung zu legen.

Dabei ist nicht nur eine Dokumentation der Aufklärung sinnvoll, sondern es sind auch die Fälle zu beachten, in denen eine schriftliche Vereinbarung mit dem Patienten zwingend erforderlich ist. Zudem sollte der Arzt den Patienten wegen der Kostenübernahme nicht in Sicherheit wiegen und mit Äußerungen zurückhaltend sein. Dazu hat das OLG Köln mit Urteil vom 23.03.2005 (5 U 144/04) entschieden, dass eine falsche Auskunft zur Kostenerstattung zu einer Haftung gegenüber dem Patienten führe, da sich dieser auf derartige Aussagen seines Arztes verlassen dürfe.

Die zunehmende Bedeutung der wirtschaftlichen Aufklärung wird aber vor allem vor dem Hintergrund der oben genannten Entscheidung des OLG Oldenburg deutlich. Je mehr Leistungen aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen werden, desto häufiger wird es Behandlungsalternativen geben, die höhere Erfolgschancen bieten oder eine geringere Belastung für den Patienten bedeuten.

Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung in diesen Fällen eine generelle Aufklärungspflicht über die Möglichkeit der Behandlungsalternative bei eigener Kostenübernahme normieren wird. Bis dahin empfiehlt sich eine entsprechende Aufklärung, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

Quelle: RAin Anna Mündnich, LL.M. Medizinrecht
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