BSG: Konkretisierung der Grundsätze zur Genehmigung von Zweigpraxen

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 09.02.2011 in vier Entscheidungen Grundsätze zur Genehmigung von Zweigpraxen aufgestellt.

Die mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz eingeführte Regelung des § 24 Abs. 3 Ärzte- bzw. Zahnärzte-Zulassungsverordnung räumt Vertragsärzten die Möglichkeit ein, neben ihrem Praxissitz an weiteren Standorten vertragsärztlich tätig zu sein, „wenn und soweit dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird.“

Die Tätigkeit in einer Zweigpraxis bedarf jedoch der vorherigen Genehmigung der Kassen-ärztlichen Vereinigung (KV) bzw. der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV). Zuständig für die Erteilung der Genehmigung ist die KV, dessen Mitglied der Arzt ist, oder in dessen Bezirk die Zweigpraxis betrieben werden soll. Das BSG hob insoweit hervor, dass den zuständigen Behörden bei der Beurteilung der Verbesserung der Versorgung am Ort der Zweigpraxis und der Beeinträchtigung der Versorgung am Praxissitz ein Beurteilungsspielraum zustehe, der nur eingeschränkt gerichtlich nachprüfbar sei.

In den einzelnen Entscheidungen stellte das BSG darüber hinaus folgende Grundsätze auf:

Die berufsrechtliche Beschränkung des § 17 Abs. 2 der ärztlichen Berufsordnung, wonach es Ärzten lediglich gestattet ist, über den Praxissitz hinaus an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu sein, gelte nicht für Medizinische Versorgungszentren. Diese könnten neben dem Stammsitz auch mehr als zwei Standorte betreiben. Allerdings finde sich für Medizinische Versorgungszentren insoweit eine Begrenzung, als die Tätigkeit am Stammsitz überwiegen müsse, und der in einem Medizinische Versorgungszentren tätige Arzt höchsten an drei Standorten des Medizinischen Versorgungszentrums tätig sein dürfe. (B 6 KA 12/10 R)

Darüber hinaus entschied das BSG, dass es eine Beeinträchtigung der Versorgung am Vertragsarztsitz darstellen könne, wenn ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinder-Kardiologie regelmäßig an einem Tag der Woche nicht an seinem Vertragsarztsitz tätig und aufgrund einer Entfernung zur Zweigpraxis von 120 km für seine Patienten auch nicht bei akutem Bedarf erreichbar sei. (B 6 KA 7/10 R)

Umgekehrt urteilte das BSG im Falle eines Kieferorthopäden, dass es für eine Verbesserung am Ort der Zweigpraxis unzureichend sei, wenn der Kieferorthopäde in einem zeitlich begrenzten Rahmen von lediglich eineinhalb Tagen kieferorthopädische Leistungen am Sitz der Zweigpraxis erbringen wolle. Diese Beurteilung ergebe sich vor allem daraus, dass er im Falle von Schmerzen oder technischen Problemen seiner Patienten nicht eingreifen könne, da die Entfernung zwischen Haupt- und Zweigpraxis 500 km betrage. (B 6 KA 3/10 R)

Letztlich gab das BSG der Auffassung der zuständigen KZV Recht, die die erforderliche Verbesserung am Standort der Zweigpraxis eines Zahnarztes verneint hatte. Sofern ein Zahnarzt eine Verbesserung der Versorgung mit besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten begründe, sei es nicht zu beanstanden, wenn die KZV zum Beleg der besonderen Fachkunde auf ein von der ZÄK vergebenes Zertifikat abstelle und sich nicht mit eigenen Angaben des Zahnarztes zur Fallzahl und zur Selbsteinschätzung begnüge. (B 6 KA 49/09 R)

Die Entscheidungen des BSG zeigen, dass die Voraussetzungen der Verbesserung der Versorgung am Ort der Zweigpraxis und der fehlenden Beeinträchtigung der Versorgung am Praxissitz häufig dann nicht erfüllt sind, wenn der Vertragsarztsitz und die Zweigpraxis weit voneinander entfernt sind. Eine Kompensation kann nach der Auffassung des BSG nur in Frage kommen, wenn diese Nachteile durch ein erhebliches tatsächliches Versorgungsdefizit am Ort der Zweigpraxis aufgewogen werden können. Was unter einem erheblichen tatsächlichen Versorgungsdefizit zu verstehen ist, hat das BSG jedoch offen gelassen.

Vielmehr hat das BSG betont, dass die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen bei den zuständigen KVen bzw. KZVen liegt. Das Bundessozialgericht hat diesen einen weiten Beurteilungsspielraum zugesprochen, was auch zukünftig weitere Auseinandersetzungen im Einzelfall zur Folge haben dürfte.

Quelle: RAin Anna Mündnich, LL.M. Medizinrecht
WIENKE & BECKER – KÖLN, Rechtsanwälte,
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