Zum Vermeiden eines Arzneikostenregresses bei Off-Label-Use

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Beschluss über einen Arzneimittelregress in Höhe von ca. 65.000,00 EUR Wege aufgezeigt, durch die der Vertragsarzt einen solchen Regress bei Off-Label-Use vermeiden kann.

Der Entscheidung lagen vertragsärztliche Verordnungen von Immunglobulinen für einen erwachsenen AIDS-Patienten zugrunde. Die Prüfgremien regressierten die Verordnungskosten bei dem Vertragsarzt, zu Recht, wie die Sozialgerichte in drei Instanzen entschieden. Denn Immunglobuline seien nur bei AIDS-kranken Kindern zur umfassenden Anwendung zugelassen.

Wolle der Arzt einen medizinisch-fachlich und daher auch rechtlich umstrittenen Off-Label-Use vornehmen, müsse er – abweichend vom „Normalfall“ der Medikamentenverordnung – das Risiko der fraglichen Kostenübernahme durch die Kassen nicht alleine tragen. Vielmehr könne der Vertragsarzt im Falle eines Off-Label-Use dem Patienten ein Privatrezept ausstellen und es diesem überlassen, sich bei der Krankenkasse um die Erstattung der Kosten zu bemühen. Darüber hinaus könne der Vertragsarzt in dem besonderen Fall des medizinisch-fachlich umstrittenen Off-Label-Use vor der Verordnung des Medikaments die Auffassung der Kasse erfragen und dann im Ablehnungsfall ein Privatrezept ausstellen. (BSG, Beschl. v. 31.05.2006, B 6 KA 53/05 B)

Fazit: Die Entscheidung befasst sich im Wesentlichen mit der Verteilung des wirtschaftlichen Risikos im Falle eines umstrittenen Off-Label-Use. Dabei betont das BSG, dass die Krankenkasse jedenfalls die Möglichkeit einer Vorab-Prüfung ihrer Kostentragungspflicht haben muss. Diese Möglichkeit wird der Kasse jedoch genommen, wenn der Vertragsarzt das Medikament von vornherein auf einem Kassenrezept verordnet. Daher müsse in einer solchen Konstellation auch der Arzt das Risiko übernehmen, dass die Kasse ihre Leistungspflicht verneint. Und gelangt die Kasse dann zu dem Schluss, dass kein zulässiger Off-Label-Use vorliegt, verbleibt ihr nur die Möglichkeit, die Verordnungskosten zu regressieren.

Nimmt der Arzt die problematische Verordnung demgegenüber auf Privatrezept vor, so kann die Kasse im Einzelfall prüfen, ob die jeweilige Verordnung zu ihrem Leistungsumfang gehört und dem Versicherten die Kosten zu erstatten sind. Dann wäre es auch unbillig, dem Arzt das von ihm erkannte Risiko der fraglichen Leistungspflicht der Kasse aufzubürden. Diesen Weg hat aktuell das LSG von Nordrhein-Westfalen hervorgehoben, das den Regress gegen einen Hausarzt bestätigte, der ein Medikament auf Kassenrezept verordnete, dessen Zulassung abgelaufen und über die entsprechende Verlängerung ein Rechstreit anhängig war.

Praxistipp: Wichtig ist, dass der Arzt den Patienten über eine möglicherweise nicht gewährleistete Kostenerstattung der Kasse aufklären muss. Für das Arzt-Patienten-Verhältnis ist es natürlich optimal, wenn der Arzt zuvor die unklare Leistungspflicht mit der Kasse abstimmt.

Die Verordnung auf Privatrezept kann der Arzt mit einem Hinweis auf die Regelungen des Bundesmantelvertrages begründen, der bei Verordnungen außerhalb der Leistungspflicht der GKV die Verwendung privatärztliche Rezepte gestattet:

§ 28 Abs. 8 BMV-Ä: Verlangt ein in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherter die Verordnung von Arzneimitteln, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen oder für die Behandlung nicht notwendig sind, ist dafür ein Privatrezept zu verwenden. Die Verwendung des Vertragsarztstempels auf diesem Privatrezept ist nicht zulässig.

Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
WIENKE & BECKER – KÖLN, Rechtsanwälte,
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