Berufsrechtliche Auswirkungen der bewussten Falschabrechnung

Eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt, welche berufsrechtlichen Konsequenzen eine vorsätzliche Falschabrechnung nach sich ziehen kann (Nichtannahmebeschluss vom 03.03.2014 – 1 BvR 1128/13). Das Gericht bestätigte damit ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG) vom 06.02.2013 – 6t A 1843/10.T – und nahm die Verfassungsbeschwerde des verurteilten Arztes nicht zur Entscheidung an. Der Arzt hatte vorsätzlich wiederholt gegen die Abrechnungsvorschriften der GOÄ verstoßen, woraufhin ihm das passive Berufswahlrecht entzogen sowie eine Geldbuße von 20.000 Euro gegen ihn verhängt worden war. Zudem war die Entscheidung im Ärzteblatt unter vollständiger Nennung seines Namens veröffentlicht worden.

Eigenwillige Auslegung der Abrechnungsvorschriften
Der niedergelassene Facharzt für Innere Medizin hatte über einen längeren Zeitraum seinen Patienten Leistungen in Rechnung gestellt, die er tatsächlich nicht erbracht hatte – offenbar im Vertrauen darauf, dass bei beanstandungsloser Kostentragung durch Krankenversicherer oder Beihilfestelle die Patienten dies nicht reklamieren würden. Konkret hatte er den Begriff „Sitzung“ entgegen dem üblichen Wortverständnis so ausgelegt, dass er Ultraschall-Leistungen auch für Tage in Rechnung stellen konnte, an denen die Patienten nachweislich nicht in der Praxis erschienen waren.

Erheblicher Verstoß gegen Berufspflichten
Die Richter sahen darin einen Verstoß des Arztes gegen die in den §§ 2 und 12 der Berufsordnung niedergelegten Berufspflichten, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben sowie gegen das Gebot der angemessenen Honorarforderung. Das OVG führte erklärend dazu aus, dass solch drastische berufsrechtliche Konsequenzen nur bei besonders erheblichen Verstößen in Betracht kämen und dass nicht jede Abweichung von den Abrechnungsvorschriften berufsrechtlich relevant sei. Zwar müsse jeder Arzt die Abrechnungsvorschriften kennen. Sofern die Anwendung von Vergütungsregeln von komplexen medizinischen oder juristischen Bewertungen abhängig sei, könne dem Arzt jedoch für eine – jedenfalls im Ansatz vertretbare – eigene Falschauslegung der Vorschriften kein Vorsatz unterstellt werden. Im vorliegenden Fall nahm das OVG allerdings eine vorsätzliche Falschabrechnung an, da auch der vom Arzt unzutreffend vertretene Sitzungsbegriff kein Erfinden von Leistungsdaten rechtfertige.

Namentliche Nennung im Ärzteblatt ist zulässig
Auch die namentliche Veröffentlichung der Entscheidung im Ärzteblatt war nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zulässig und durch das berechtigte Interesse an einer Information der Allgemeinheit gerechtfertigt. Nach § 60 Abs. 3 des Heilberufsgesetzes NRW (HeilBerG) kann in besonders schweren Fällen die Entscheidung veröffentlicht werden. Ein solcher Fall liegt regelmäßig dann vor, wenn für ein besonders schwerwiegendes Vergehen eine berufsrechtliche Sanktion verhängt wird und der Fall besondere Bedeutung für die Allgemeinheit oder für die Berufsangehörigen hat. Nach Auffassung des Gerichts wog das Vergehen des Arztes deshalb besonders schwer, weil mit ihm in systematischer Weise ein den Vorschriften der GOÄ widersprechendes Abrechnungssystem verfolgt worden sei, dem eine hohe Schadensneigung zulasten der Vermögensinteressen der betroffenen Patienten bzw. der Allgemeinheit in Form der Krankenkassenträger, Beihilfeempfänger etc. zukomme.

Fazit
Die (bewusste) Falschabrechnung rückt immer mehr in den Fokus der Standesorganisationen und Gerichte und führt häufiger zu Verurteilungen, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Dabei gehen die Gerichte davon aus, dass den Ärzten die für sie einschlägigen Abrechnungsvorschriften bekannt sind und werten beharrliche Verstöße als vorsätzliche Falschabrechnungen. Neben den allgemeinen strafrechtlichen Risiken drohen empfindliche berufsrechtliche Sanktionen, die allerdings nur bei schwerwiegendem und vor allem vorsätzlichem Abweichen relevant werden. In jedem Fall ist bei der Abrechnung größtmögliche Sorgfalt anzuwenden, um Konsequenzen zu vermeiden, die über eine bloße Regressierung hinausgehen.

Quelle: RAin Rosemarie Sailer, LL.M. Medizinrecht
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