BGH: Gewerbliche Ernährungsberatung in Arztpraxis zulässig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung die gewerbliche Ernährungsberatung eines Arztes in den Räumlichkeiten seiner Praxis als berufsrechtlich zulässig bewertet, solange diese Beratungstätigkeit zeitlich und organisatorisch von der ärztlichen Behandlung getrennt ist. Das Oberlandesgericht Frankfurt/M. hatte zuvor noch geurteilt, dass solch eine gewerbliche Ernährungsberatung zu unterlassen sei. Das OLG hatte im Wesentlichen darauf abgestellt, dass eine örtliche bzw. räumliche Trennung zwischen der Arztpraxis und denjenigen Räumlichkeiten geboten sei, in denen die Ernährungsberatung stattfinde. Der BGH hob diese Entscheidung in der Revisionsinstanz auf:

Zwar sei es dem Arzt berufsrechtlich untersagt, im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen, sofern diese nicht notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Dieses Verbot diene der Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes, so dass der Patient darauf vertrauen könne, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern ausschließlich vom medizinisch Notwendigen leiten lasse. Deshalb sei aber das Verbot, gewerbliche Dienstleistungen im Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit zu erbringen, nur insoweit zu rechtfertigen, als vernünftige Zwecke des Gemeinwohls dies erfordern und den Arzt nicht übermäßig treffen. Das Verbot diene nämlich nicht der Vorbeugung unmittelbar bestehender Gesundheitsgefahren, sondern soll lediglich langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung durch eine Kommerzialisierung des Arztberufs verhindern.

Da Ärzten eine gewerbliche unternehmerische Tätigkeit im Heilwesen grundsätzlich erlaubt sei, könne einem Arzt das Abhalten gewerblicher Informationsveranstaltungen in seinen Praxisräumen nur dann untersagt werden, wenn derartige Veranstaltungen eine gewisse Wirkung in Richtung auf eine Kommerzialisierung des Arztberufs bewirkten. Dies sei bei einer Diät- und Ernährungsberatung zur Gewichtsreduktion indes nicht der Fall: Eine Ernährungsberatung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion ist sinnvoll und wird von den betreffenden Personen nicht als ungewöhnlich empfunden, zumal sie auch von Krankenkassen durchgeführt wird. Solche Veranstaltungen in einer Arztpraxis durch deren Inhaber werden nicht als Indiz dafür gesehen, dass sich die Ärzte zunehmend als Gewerbetreibende verstünden und ihr Verhalten nicht mehr an den gesundheitlichen Interessen der Patienten, sondern an ökonomischen Erfolgskriterien ausrichteten. Dies gelte auch dann, wenn die Beratung durch den Arzt in seiner Praxis erfolgt.

BGH, Urteil vom 29.05.2008, I ZR 75/07

Fazit: Mit Augenmaß mahnt der BGH an, dass die Verbotsnormen des ärztlichen Berufsrechts stets durch vernünftige Belange gerechtfertigt werden müssen. Daher hat der BGH hier richtigerweise die Kontrollüberlegung angestellt, welchen Eindruck die angesprochenen Patienten auf Grund der Ernährungsberatung bekommen werden und ob sie annehmen, die Ärzteschaft vernachlässige wegen übermäßigen Gewinnstrebens das Wohl der Patienten. Es liegt auf der Hand, dass diese Frage nur zu verneinen war.

Praxistipp:Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann aber nicht ohne Weiteres auf so genannte „Praxisshops“ übertragen werden. Denn der Charakter einer Ernährungsberatung unterscheidet sich von dem eines Praxisshops, der etwa Nahrungsergänzungsmittel anbietet. Denn weite Teile der Bevölkerung haben mit Übergewicht zu kämpfen, und es ist bekannt, dass eine Ernährungsberatung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion auch medizinische Erkenntnisse berücksichtigen sollte. Damit rückt die Ernährungsberatung, auch wenn sie gewerblich erfolgt, eher in den Bereich der medizinischen Beratung, als ein Praxisshop. Dieser ist ersichtlich stärker auf den wirtschaftlichen Profit des Arztes gerichtet, so dass bei einem Praxisshop der Eindruck einer Kommerzialisierung näher liegt, als bei einer Informationsveranstaltung zur Ernährungsberatung. Daher sollte für Praxisshops die Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Praxisgeschehen unverändert strikt in organisatorischer, wirtschaftlicher und auch räumlicher Sicht durchgehalten werden. Gänzlich unerwähnt lässt der BGH in seiner Entscheidung steuerliche Fragestellungen, die bei der parallel durchgeführten freiberuflichen und gewerblichen Tätigkeit generell auftreten und vor Aufnahme solcher Tätigkeiten zu klären sind, um unerwünschte spätere Überraschungen zu vermeiden. Insbesondere eine gewerbesteuerliche Infizierung der freiberuflichen Einkünfte durch Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit (Beratung und Verkauf von Diät- und Ernährungsprodukten) gilt es zu verhindern.

Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
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