Einschätzung zur Zukunft der Kassenverträge
Nach Auslaufen der 1%igen Anschubfinanzierung stellt sich die Frage nach Umfang und Bedeutung von Kassenverträgen in der Zukunft. Die KBV prognostiziert bis 2010 eine gewaltige Umschichtung von bis zu 45% der Honorare aus den Kollektivverträgen in Direktverträge mit Krankenkassen. Eine aktuelle Aufarbeitung des Themas im Deutschen Ärzteblatt (43/2008) kommt zu einer deutlich zurückhaltenderen Einschätzung.
Hier hilft ein Blick auf die Interessenslagen der Beteiligten und auf die Fakten. Krankenkassen werden nach Einführung des Gesundheitsfonds stärker noch als bisher auf ihre Ausgaben achten müssen. Einfluss auf die Beitragssätze existiert seitens der Kassen nicht mehr. Stattdessen besteht Insolvenz-Risiko.
In dieser Lage wächst das Interesse vieler Kassen an einer Kooperation mit Ärztegruppen. Denn niedergelassene Ärzte steuern u.a. durch Verordnungen und Einweisungen zwei Drittel der Kosten in der GKV. Während die Kassen für die ambulante Behandlung von Versicherten pro Jahr rund € 25 Mrd. ausgeben, lösen niedergelassene Ärzte darüber hinaus ein Leistungsvolumen von bis zu € 100 Mrd. in anderen Sektoren aus.
Naheliegender Grundgedanke ist es daher, Ärzte für die Reduzierung vermeidbarer Veranlassungen zu belohnen, in dem sie an den Einsparungen beteiligt werden. Kassenverträge nach diesem Strickmuster sind für Ärzte die einzige Möglichkeit, an Geldern aus anderen Sektoren zu partizipieren.
Ein Beispiel hierfür sind Verträge zum stationsersetzenden Operieren. Mit nur rund 37% liegt der Anteil der ambulanten Operationen an allen Operationen in Deutschland bislang auf einem international niedrigen Niveau. Dies liegt auch daran, dass die Honorare für dieselbe Operation im ambulanten Bereich teilweise nur 30% bis 50% der stationären Honorare betragen. Ein Beispiel aus einer aktuellen Studie (Quelle: Gabriele Schulz, Diplomarbeit an der Hochschule Niederrhein): Das Stripping der saphena magna wird stationär mit € 1.785 vergütet. Die verursachten Kosten (Raum, Personal, Arbeitszeit der Ärzte) liegen im stationären Bereich bei € 684,61. Bei ambulanter Ausführung beträgt das OP-Honorar lediglich € 618,71. Der ambulante Operateur (Kosten € 313,99) führt diese Operation deutlich kosteneffizienter aus, als das Krankenhaus.
Die Verlagerung von Operationen vom stationären in den ambulanten Bereich spart also u. U. erhebliche Kosten, an denen die ausführenden Ärzte im Rahmen von Kassenverträgen beteiligt werden können. Ähnliche Potenziale vermuten Kassen im Arzneimittelbereich, im Heil- und Hilfsmittelbereich und bei den AU-Bescheinigungen.
Auch der Gesetzgeber sieht Potenzial. So sollen die Kassen dazu verpflichtet werden, Hausarztverträge vornehmlich mit Organisationen abzuschließen, die mehr als die Hälfte der Hausärzte einer Region vertreten. Infrage kommt wohl flächendeckend nur der Hausarztverband. Doch einige Ersatzkassen haben bestehende Hausarztverträge zum 31.12.2008 bereits wieder gekündigt, weil die erwünschten wirtschaftlichen Effekte nicht den Erwartungen entsprochen hätten.
Fazit:
Direktverträge sind für Kassen und auch für Ärzte attraktiv, ihre Zahl wird in den nächsten Jahren voraussichtlich deutlich steigen. Mittel- und langfristig werden diese Verträge aber nur Bestand haben, wenn sie durch entsprechende Einsparungen in anderen Sektoren refinanziert werden. Dies zu erreichen, ist Aufgabe der beteiligten Ärzte. Gelingt dies nicht, werden die Verträge wieder gekündigt werden.