Mangelnde Mitwirkung des Patienten schließt Behandlungsfehlervorwurf nicht aus

Lehnt ein Patient die ihm empfohlene Behandlung ab, muss er ausdrücklich und im Einzelnen auf die drohenden Folgen der unterbliebenen Therapie hingewiesen werden. Diese Aufklärung ist in den Krankenunterlagen zu dokumentieren.

Anlass zu diesem Hinweis ist ein aktuell veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH): Der BGH hat betont, dass die mangelnde Mitwirkung eines Patienten an einer medizinisch gebotenen Behandlung dem Arzt angelastet werden kann, wenn er den Patienten über die drohenden Folgen der Nichtbehandlung nicht hinreichend deutlich aufgeklärt hat. In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um einen Patienten, dessen Allgemeinzustand sich nach der Entlassung aus stationärer Behandlung deutlich verschlechterte und dem deshalb die erneute Krankenhausaufnahme und Infusionsbehandlung empfohlen wurde. Dies lehnte der Kläger jedoch ab, begab sich nach Hause und wurde tags darauf notfallmäßig in die Klinik eingeliefert, nachdem er aus dem Bett gefallen war und nicht mehr sprechen konnte. In der Klinik wurde dann ein Schlaganfall diagnostiziert.

Der BGH hat festgestellt, dass der Patient über die Notwendigkeit der stationären Aufnahme nicht in der gebotenen Weise informiert worden sei und hat hierin eine Verletzung der Pflicht zur therapeutischen Aufklärung gesehen. Dem Patienten könne die Nichtbefolgung ärztlicher Anweisungen nur dann als eigenes Verschulden angelastet werden, wenn er die ärztlichen Empfehlungen verstanden hat und ihm die Dringlichkeit der Therapie bewusst war. Da im vorliegenden Fall dem Patienten gerade das Risiko von Spätschäden durch Flüssigkeitsmangel nicht ausdrücklich erläutert worden sei, liege nahe, dass dem Patienten die Gefährlichkeit einer Nichtbehandlung nicht gänzlich bewusst gewesen ist, als er sich dazu entschloss, die Klinikaufnahme abzulehnen.

(BGH, Urt. v. 16.06.2009, VI ZR 157/08)

Fazit:
Auch wenn der gesunde Menschenverstand eigentlich nahelegt, dass der Patient schon aus eigenem Interesse den ärztlichen Anweisungen folgt, zeigt der Fall des BGH deutlich, dass dies keineswegs selbstverständlich ist. In derartigen Fällen ist dem Patienten durchaus drastisch zu veranschaulichen, welche konkreten Folgen das Unterbleiben der empfohlenen Behandlung haben kann. Dabei sollte stichwortartig notiert werden, welche Gesundheitsschäden dem Patienten im Einzelnen dargelegt wurden, damit der Behauptung des Patienten begegnet werden kann, ihm seien die Risiken der Nichtbehandlung nicht bekannt gewesen.

Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
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