Missbräuchliche Ausübung von Praxisgemeinschaften

Die Praxisgemeinschaft ist eine Kostengemeinschaft, in der gemeinsame Kosten für Geräte, Inventar und Personal zu einem bestimmten Schlüssel auf die Partner der Praxisgemeinschaft aufgeteilt werden. Eine gemeinsame Gewinnerfassung und -verteilung erfolgt jedoch nicht.

Der Patient, der in einer Praxisgemeinschaft in demselben Quartal sowohl bei dem einen als auch bei dem anderen Partner der Praxisgemeinschaft zur Behandlung erscheint, wird als Behandlungsfall sowohl des einen als auch des anderen Partners der Praxisgemeinschaft, d.h. doppelt „gezählt“.

In einer Berufsausübungsgemeinschaft würde dieser Patient hingegen nur als 1 Behandlungsfall gezählt. Manche Ärzte sehen sich veranlasst, offiziell eine Praxisgemeinschaft zu betreiben, tatsächlich jedoch eine Berufsausübungsgemeinschaft zu „leben“ (Schein-Praxisgemeinschaft), in der dann eine gemeinsame Gewinnverteilung erfolgt. Da die Anzahl der Behandlungsfälle für die Zuweisung des Budgets an die Ärzte mitentscheidend ist (je mehr Behandlungsfälle desto mehr Budget), erhalten die Ärzte von Schein-Praxisgemeinschaften damit einen ungerechtfertigten Vorteil.

Die Kassenärztliche Vereinigung geht von einer Schein-Praxisgemeinschaft bei Vorliegen folgender Aufgreifkriterien aus:

  • die Patientenidentität der Partner einer fachgleich tätigen Praxisgemeinschaft liegt bei ca. 20 %,
  • Patientenidentität der Partner einer fachungleich tätigen Praxisgemeinschaft liegt bei ca. 30 %,
  • bei einer Patientenidentität von mehr als 50 % wird ohne weiteres, d.h. ohne Würdigung weiterer Umstände, davon ausgegangen, dass tatsächlich eine Schein-Praxisgemeinschaft vorliegt, da dieser Anteil gemeinsamer Patienten eine gemeinsame Patientenorganisation zwingend fordert,
  • der Anteil von Vertretungsfällen der Partner in einer Praxisgemeinschaft liegt bei mehr als 5 % – 10 %.

Die Folgen der missbräuchlichen Ausübung von Praxisgemeinschaften reichen vom Entzug der Zulassung und/oder Approbation über Disziplinarverfahren, Honorarkürzungen und sogar Strafverfahren wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug und Verletzung der ärztlichen Verschwiegenheitsverpflichtung bzw. des Datenschutzes.

Bei Ausgestaltung und Betreibung der Praxisgemeinschaft ist folgendes zu beachten:

  • die Behandlung von Patienten des jeweils anderen Partners der Praxisgemeinschaft ist grundsätzlich abzulehnen, der Patient ist an den Partner der Praxisgemeinschaft zu verweisen, der Patient hat „einen“ Hausarzt zu wählen; ausgenommen sind „Notfälle“,
  • Vertretungen setzen die Abwesenheit des anderen Partners der Praxisgemeinschaft und einen zulässigen Vertretungsgrund voraus,
  • Karteien, Software und die Patientenorganisation sowie -behandlung sind strikt zu trennen,
  • Patientendaten sind dem anderen Praxispartner gegenüber vertraulich zu behandeln, der Praxispartner und dessen Personal sind diesbezüglich wie „fremde Dritte“ zu behandeln,
  • die Weitergabe von Patientendaten an den jeweils anderen Partner der Praxisgemeinschaft setzt das Einverständnis des Patienten voraus, welches in Form einer Entpflichtung von der ärztlichen Verschwiegenheit eingeholt werden sollte,
  • Einnahmen aus ärztlicher Behandlung stehen nur dem die Leistung erbringenden Arzt zu, es findet kein Gewinnpooling statt.

Quelle: RA Oliver Weger, Fachanwalt für Medizinrecht
Wirtz, Walter, Schmitz und Partner
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