Vertrauensschutz steht „doppelter“ Plausibilitätsprüfung entgegen

Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen hatte in einer interessanten Fallkonstellation beim Sozialgericht Marburg das Nachsehen. Sie hatte gegen einen Arzt aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung einen Honorarrückforderungsbescheid erlassen ohne den Hinweis darauf, sich eine weitere Prüfung vorzubehalten. Als die KV danach noch eine weitere Plausibilitätsprüfung aufgrund einer Patientenidentität für den gleichen Zeitraum einleitete, wehrte sich der Vertragsarzt erfolgreich mit dem Hinweis, dass das Prüfrecht „verbraucht“ sei. Das Gericht wies jedoch auf eine Hintertür hin (Urteil vom 01.08.2022, Az. S 18 KA 52/16).

Der Fall
Die KV erließ gegen einen Arzt infolge einer Plausibilitätsprüfung, die allein die Zeitprofile der abgerechneten Leistungen zum Gegenstand hatte, einen Honorarrückforderungsbescheid. Einige Zeit später wurde eine weitere Plausibilitätsprüfung durchgeführt für den gleichen Zeitraum. Diese neuerliche Prüfung hatte die Frage der Patientenidentität behandelter Patienten des Vertragsarztes und der BAG, mit der er in Praxisgemeinschaft tätig war, zum Gegenstand. Auch insoweit wurde ein Honorarrückforderungsbescheid erlassen. Der Arzt wandte sich gegen den Bescheid zuletzt im Klageverfahren und wandte insbesondere ein, dass das „Prüfrecht“ der KV jedenfalls für den Zeitraum, der bereits von der ersten Plausibilitätsprüfung erfasst war, verbraucht sei.

Die Entscheidung
Dem folgte das SG Marburg. Es bestehe Vertrauensschutz im Hinblick darauf, nach Erlass eines Rückforderungsbescheides für einen bestimmten Zeitraum keine neuerliche Prüfung des gleichen Zeitraums erwarten zu müssen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die KV eine Plausibilitätsprüfung einleitet und daraufhin eine Neufestsetzung samt Honorarrückforderung erlässt und nicht zugleich (in dem Bescheid) darauf hinweist, dass eine weitere Plausibilitätsprüfung (aus anderem Grund) erfolgen bzw. vorbehalten wird.

Fazit
Zunächst stärkt das Urteil die Vertragsärzteschaft und damit auch bestehende MVZ. Gleichwohl wird die Entscheidung künftig wohl regelhaft nicht mehr angeführt werden können. Es ist nämlich damit zu rechnen, dass die KVen sich in einem Honorarrückforderungsbescheid wie auch in einer etwaig vergleichsweisen Erledigung eine weitergehende Prüfung unter anderen Gesichtspunkten vorbehalten werden.

Klar ist allerdings auch, dass ein etwaig durch den Arzt verursachter Schaden, der in zwei gesonderten Prüfverfahren festgestellt und ermittelt wird, nicht doppelt geltend gemacht werden kann. Dem Unterzeichner sind insoweit Fälle bekannt, in denen – sinnvollerweise – sowohl die zeit- als auch die patientenidentitätsbezogene Prüfung von Seiten einer KV zeitgleich erfolgte und letztlich in einem Bescheid bzw. einem Vergleich zusammengeführt wurde.

Quelle: RA, FA MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund
RAin Svenja Brungert, Kanzlei am Ärztehaus, Münster
www.kanzlei-am-aerztehaus.de


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