Zur fristlosen Kündigung eines Gemeinschaftspraxisvertrags

Streitigkeiten in einer Gemeinschaftspraxis gipfeln häufig in dem Bestreben eines der Partner, den unliebsam gewordenen Kollegen „loszuwerden“. Allerdings sind die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen ein Partner aus einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis „hinausgekündigt“ werden kann, sehr streng. Die Hinauskündigung ist stets erst bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig und zwar erst dann, wenn andere, mildere Mittel, mit denen der Partner zur Einhaltung der ihn treffenden Pflichten angehalten werden soll, keinen Erfolg versprechen. Die Rechtsprechung geht mittlerweile so weit, dass der verbleibende Partner zuvor die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe versucht haben muss, um den Kollegen, der gegen die gesellschaftsvertraglichen Pflichten verstößt und deshalb die Praxis eigentlich verlassen soll, zur Einhaltung der ihn treffenden Pflichten anzuhalten.

In einer derartigen Konstellation hat das Oberlandesgericht Hamm jüngst entschieden, dass dann, wenn einer der Ärzte gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen und eine einstweilige Verfügung gegen seinen Kollegen erwirkt hat, die fristlose Kündigung gerechtfertigt sei, wenn der Kollege entgegen der gerichtlichen Verfügung sein vertragswidriges Verhalten fortsetzt. Diese Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund die „ultima ratio“ ist, um das Gesellschaftsverhältnis im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis zu beenden.

Die Gerichte erteilten auch Versuchen, die skizzierte Rechtslage durch bestimmte Kündigungsklauseln zu umgehen und den Ausschluss eines Partners zu erleichtern, stets eine Absage. So ist nach Auffassung des OLG Hamm insbesondere eine Klausel unzulässig, nach der ein Partner auch dann aus der Gesellschaft ausscheiden soll, wenn der andere Partner einen wichtigen Grund für eine Kündigung gesetzt hat und deswegen die weitere Zusammenarbeit unzumutbar wurde. Das OLG Hamm wertete diese Klausel als sittenwidrig und unwirksam. Bei einer derartigen Regelung könne der Partner, der in der Praxis verbleiben und den anderen Kollegen loswerden will, diesen jederzeit ohne Angabe von Gründen faktisch aus der Gesellschaft ausschließen: Denn er könne eine unzumutbare Situation schaffen und damit eine Kündigung des anderen Partners provozieren und diesen dadurch aus der Gesellschaft hinausdrängen. Eine derartige Klausel sei von der Rechtsordnung nicht zu billigen, sondern als sittenwidrig zu werten, so das OLG Hamm.

(OLG Hamm, Urt. v. 23.11.2004, 27 U 211/03, rechtskräftig nach Erledigung des Revisionsverfahrens beim BGH)

Praxistipp: Eine Möglichkeit der Hinauskündigung ist nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung jedoch zulässig, wenn ein junger Kollege als neuer Partner in eine bestehende Gesellschaft aufgenommen werden soll. Für eine gewisse „Probezeit“ kann dann im Gemeinschaftspraxisvertrag durchaus vereinbart werden, dass bei einer Kündigung in jedem Fall der neue Kollege die Gemeinschaftspraxis verlassen muss. Die Einzelheiten hierzu wurden bereits in der letzten Ausgabe des Newsletters beleuchtet.

Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
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