Zur Genehmigung einer Zweigpraxis

Der Gesetzgeber hat durch Änderungen des SGB V auch so genannte Zweigpraxen zugelassen. Näheres hierzu wurde dann in der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) sowie im Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) normiert. Nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt einen Anspruch auf Genehmigung einer Zweigpraxis, wenn durch die Zweigpraxis die Versorgung der Versicherten am Ort der Zweigpraxis verbessert und die Versorgung am Sitz der Hauptpraxis nicht beeinträchtigt wird.

Heftig umstritten ist derzeit, wann von einer „Verbesserung der Versorgung“ am Ort der Zweigpraxis auszugehen ist. Während einige KVen behaupten, eine Zweigpraxis könne nur dann genehmigt werden, wenn an dem Ort der Zweigpraxis eine Unterversorgung im Sinne der Bedarfsplanung bestehe, stellen sich viele Ärzte auf den Standpunkt, es genüge für eine „Verbesserung der Versorgung“, dass durch die Zweigpraxis die Arztwahl der Versicherten am Ort der Zweigpraxis erweitert werde. Jetzt liegen die ersten sozialgerichtlichen Entscheidungen vor, die den genannten Extrempositionen der KVen einerseits und der antragstellenden Ärzte andererseits eine Absage erteilen.

Das Sozialgericht Marburg hat jetzt klargestellt, dass eine Verbesserung der Versorgung der Versicherten i.S.d. Ärzte-ZV dann vorliege, wenn an dem Ort der Zweigpraxis eine Bedarfslücke besteht, die durch die Zweigpraxis zwar nicht geschlossen werden müsse; die Zweigpraxis müsse aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation vor Ort bewirken. Nicht zu fordern seien demgegenüber Versorgungslücken, wie sie als Voraussetzung für eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung herangezogen werden. Bei bestehender Unterversorgung wird jedoch immer davon auszugehen sein, dass die Zweigpraxis zu einer Verbesserung der Versorgung führt.

(SG Marburg, Beschl. v. 27.08.2007, S 12 KA 374/07 ER)

Praxistipp: Nach dieser Entscheidung ist für den Anspruch auf Genehmigung einer Zweigpraxis maßgebend, dass eine bestehende Lücke in der Versorgung durch die Zweigpraxis jedenfalls teilweise ausgefüllt wird. Diese Lücke kann im Fehlen eines bestimmten Leistungsspektrums bestehen oder aber auch in der schlechten Erreichbarkeit der vorhandenen vertragsärztlichen Praxen begründet sein. Deshalb sollte bereits im Antrag auf Genehmigung der Zweigpraxis dargelegt werden, welche besonderen Leistungen in der Zweigpraxis erbracht werden sollen und dass diese Leistungen von den örtlichen Kollegen nicht im notwendigen Umfang angeboten werden. Im Übrigen hängt die Verbesserung der Versorgung von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa der Anzahl der Ärzte vor Ort, der Krankenhausversorgung, der Bevölkerungsdichte, Art und Umfang der Nachfrage und der räumlichen Zuordnung aufgrund der Verkehrsanbindungen.

Offen ist bislang, ob sich ein Vertragsarzt gegen die Genehmigung der Zweigpraxis eines Kollegen im Sinne eines Konkurrenzschutzes wehren kann. Das SG Marburg führt lediglich am Rande aus, dass die Interessen der am Ort bereits niedergelassenen Vertragsärzte nicht zu berücksichtigen seien.

Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
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