Gesetzgebung: Wichtige Änderungen des SGB V in Kraft getreten

Mit dem „Gesetz zu Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ (15. Novelle des Arzneimittelgesetzes) passierten zahlreiche auch für niedergelassene Ärzte wichtige Neuregelungen den Bundesrat; das Gesetz wurde am 22.07.2009 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am nächsten Tag in Kraft getreten.

Die für Ärzte und Patienten wichtigsten Neuerungen:

  • Nachdem das Bundessozialgericht Ende 2008 untersagt hatte, vertragsärztliche Leistungen über Rechenzentren mit den Kassenärztlichen Vereinigungen wie über eine privatärztliche Verrechnungsstelle abzurechnen, hat der Gesetzgeber das SGB V entsprechend geändert und nunmehr die vom BSG angemahnte gesetzliche Grundlage geschaffen. Diese gilt zunächst bis zum 30.06.2010. Damit können nun auch private Anbieter weiterhin die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen übernehmen.
  • Ebenfalls geändert wurde § 87 SGB V: Der Bewertungsausschuss soll nun quartalsweise über die Entwicklung der vertragsärztlichen Vergütungsstrukturen an das Bundesgesundheitsministerium berichten. Dabei trifft ihn auch eine Beobachtungspflicht, ob sich künftig Honorarzuschläge auf die regionale vertragsärztliche Versorgungslandschaft auswirken.
  • In der Vergangenheit sind Vorwürfe gegen die Krankenkassen laut geworden, nach denen die Kassen niedergelassene Ärzte für Diagnosemanipulationen gewinnen wollten. Hierdurch sollte das Ergebnis des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs zugunsten der Kasse „optimiert“ werden. Vor diesem Hintergrund wurde jetzt der § 268 SGB V ergänzt und dem Bundesversicherungsamt die Kompetenz zur Überprüfung von Diagnosedaten im Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs eingeräumt. Verfassungsrechtlich problematisch ist, dass eine Bundesbehörde Kontrollfunktionen über Landeskrankenkassen unter Umgehung der Landesprüfungsämter erhält. Der Bundesrat kritisierte den Aufbau zentralistischer Strukturen im Bereich der Sozialversicherung, nahm dies jedoch nicht zum Anlass, sein Einspruch gegen das Gesetz einzulegen.
  • Ungeachtet der Kritik der betroffenen Berufsverbände wurde die Kranken- und Altenpflegeausbildung mit dem neuen Gesetz auch für Hauptschulabsolventen ermöglicht, um – so das BMG – dem Fachkräftemangel im Pflegebereich vorzubeugen.
  • Verbesserungen wurden für die Finanzierung ambulanter und stationärer Hospize geschaffen. Hier werden die Krankenkassen stärker in die Pflicht genommen. Unter anderem soll nun auch in stationären Hospizen eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) erbracht und von den Krankenkassen finanziert werden.
  • Von besonderer Bedeutung ist schließlich, dass der Gesetzgeber die Krankenkassen verpflichtet hat, mit ihren Vertragspartnern angemessene Vergütungen und Regelungen zur Qualitätssicherung der onkologischen Versorgung zu vereinbaren. Bekanntlich wurde die sogenannte „Onkologie-Vereinbarung“ von den Kassenverbänden gekündigt, und Anschlussregelungen sind bislang noch nicht zu Stande gekommen.
  • Erneut wurde der § 128 SGB V geändert, nachdem gerade erst zum 01.04.2009 das Verbot der Abgabe von Hilfsmitteln aus Depots in vertragsärztlichen Praxen eingeführt worden ist. Jetzt ist auch die Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und Erbringern von Leistungen nach den §§ 31 und 116b Abs. 6 SGB V verboten. Gemeint sind damit die Leistungserbringer bei der Versorgung mit Arzneimitteln, Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen sowie der medizinischen Rehabilitation, Heilmitteln, Krankentransporten etc. Explizit genannt sind in einem neuen Absatz 6 des § 128 die pharmazeutischen Unternehmer, Apotheken, Pharma-Großhändler und sonstige Anbieter von Gesundheitsleistungen. Diese Leistungserbringer und Unternehmen dürfen Vertragsärzte nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der Durchführung der Versorgung mit ihren Leistungen beteiligen. Als unzulässige wirtschaftliche Vorteile sind im Gesetz nunmehr auch Schulungen ausdrücklich genannt, so dass die Leistungserbringer und Unternehmen den Vertragsärzten keine kostenlosen oder verbilligten Schulungen, Räumlichkeiten oder Personal hierfür zuwenden dürfen. Weitere Einschränkungen des § 128 SGB V betreffen den verkürzten Versorgungsweg mit Hörgeräten oder Brillen.

Fazit: Die neuen Regelungen sind unter erheblichem Zeitdruck zu Stande gekommen. Diesem Umstand sind sicherlich auch handwerkliche Ungenauigkeiten geschuldet. So hatte der Bundesgerichtshof wiederholt die Zulässigkeit des verkürzten Versorgungsweges bestätigt und dabei auch kostenlose Schulungsmaßnahmen und die Gestellung von Geräten, Räumlichkeiten und Personal hierfür gebilligt. Gerade hierzu hat der Gesetzgeber in seiner Begründung – offenbar in Unkenntnis der Rechtsprechung des BGH – angeführt, dass eine solche Zusammenarbeit seit jeher unzulässig sei. Nicht geklärt ist auch, wie die Anschlussversorgung nach § 11 SGB V und die den Arzt treffenden Pflichten aus der Medizinproduktebetreiberverordnung eingehalten werden sollen, wenn Ärzte von den Herstellern oder Vertriebsunternehmen der Medizinprodukte nicht mehr unentgeltlich geschult werden dürfen.

Zu begrüßen sind demgegenüber die neuen gesetzlichen Grundlagen zur Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen über Verrechnungsstellen; dieser Aspekt wird gerade bei Selektivverträgen wichtig sein. Auch die bessere finanzielle Ausstattung von ambulanten und stationären Hospizen sowie die Stärkung der SAPV sind zu begrüßen.

Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
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