Haftungsrisiken bei Aut Idem-Substitution

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat unlängst die Aufklärungspflicht des Arztes anlässlich der Umstellung einer Medikation hervorgehoben. In dem dort entschiedenen Fall hatte der Arzt den Wechsel eines Wirkstoffs vorgenommen, seinen Patienten jedoch nicht über die mit dem neuen Wirkstoff verbundenen Risiken aufgeklärt, die sich dann im weiteren Verlauf verwirklichten. Für die damit verbundenen Gesundheitsschäden des Patienten haftete der Arzt.

Aus der genannten BGH-Entscheidung lassen sich indes haftungsrechtliche Schlussfolgerungen auch für die Anwendung der Aut Idem-Regelung ableiten, die der Arzt bei seiner täglichen Arbeit nicht vernachlässigen darf:

Grundlage der Arzthaftung bei der Pharmakotherapie ist, dass der Arzt seinen Patienten über die Risiken und Nebenwirkungen des verordneten Arzneimittels aufklären muss. Durch das Nichtankreuzen des Aut Idem-Ausschlusses auf dem Rezeptformular lässt der Arzt den Austausch des von ihm verordneten Arzneimittels zu, so dass er zumeist keine Kenntnis davon hat, welches Medikament von dem Apotheker später tatsächlich an den Patienten abgegeben wird. Im Grunde genommen müsste der Arzt, um den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung zu genügen, seinem Patienten sämtliche Nebenwirkungen aller Arzneimittel darlegen, die der Apotheker im Rahmen der Substitution abgeben könnte. Ein solcher Überblick ist für den behandelnden Arzt in praxi nicht möglich. Daher sollte sich der Arzt bewusst machen, dass dann, wenn ein vom Apotheker im Wege der Substitution abgegebenes Präparat zu Nebenwirkungen führt, über die der Arzt zuvor nicht aufgeklärt hat, eine Haftung des Arztes für etwaige Gesundheitsschäden des Patienten eintritt. Bedeutend ist dieses Problem insbesondere dann, wenn andere Arzneimittel zwar denselben Wirkstoff enthalten, aber die Fachinformationen dennoch unterschiedliche Risiken und Nebenwirkungen beschreiben.

Fazit: Vor dem Hintergrund der aufgezeigten haftungsrechtlichen Grundsätze darf der Arzt die Substitution durch das Nichtankreuzen der Aut Idem-Regelung im Grunde genommen nur dann erlauben, wenn er sicher weiß, dass alle Arzneimittel, die zur Substitution in Frage kommen, in gleicher Weise zur Behandlung des Patienten geeignet sind und identische Risiken und Nebenwirkungen aufweisen.

Als weiterer Aspekt kommt hinzu, dass der Arzt bei Zulassung von Aut Idem nicht sicher weiß, welche Verordnungskosten er durch die Hingabe des Rezeptes an den Patienten und eine mögliche Substitution durch den Apotheker verursacht. Eine Kostentransparenz ist somit jedenfalls im Sinne einer „Regress-Prophylaxe“ nicht sicher gegeben.

BGH, Urt. v. 17.04.2007, VI ZR 108/06

Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
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