Neues Urteil zu ärztlichen Bewertungsportalen im Internet

Das Landgericht Kiel hat in einem aktuellen Urteil vom 06.12.2013 die Rechtmäßigkeit von Arztbewertungen in Form von Benotungen bestätigt. Das Gericht stützte sein Urteil auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung sowie auf das Interesse der Öffentlichkeit an kritischen und unabhängigen Bewertungen.

Zum Sachverhalt
Ein norddeutscher Gynäkologe hatte gegen ein bekanntes Arztbewertungsportal geklagt und unter anderem verlangt, dass bestimmte negative Bewertungen über ihn gelöscht werden sollten. Eine offenbar unzufriedene Patientin hatte dem Arzt insgesamt die Gesamtnote 4,4 gegeben. Mit der Notenbewertung konnten einzelne Kriterien nach dem bekannten Schulnotensystem von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) bewertet werden. Der Arzt war der Auffassung, dass die durchgängig schlechten Notenbewertungen zu den Punkten „Behandlung“, „Aufklärung“, „Praxisausstattung“ und „telefonische Erreichbarkeit“ unwahre Tatsachenbehauptungen beinhalteten, die den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllten und deshalb nicht veröffentlicht werden dürften.

Notenbewertungen sind zulässige Meinungsäußerungen
Zentraler Verhandlungsgegenstand war die Frage, ob eine Notenbewertung als Meinungsäußerung gilt oder auch als Tatsachenbehauptung gewertet werden kann. Während sich Meinungsäußerungen durch die subjektive Einschätzung des Bewerters auszeichnen, sind Tatsachenbehauptungen objektiv auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Im Streitfall um eine Bewertung lassen sich daher nur Tatsachenbehauptungen anfechten. Meinungsäußerungen sind hingegen vom Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 des Grundgesetzes geschützt und nur dann gerichtlich angreifbar, wenn damit die Grenze zur Schmähkritik überschritten wird. Darunter fallen insbesondere Äußerungen, die sich nicht mehr sachlich mit dem zu bewertenden Sachverhalt oder der Person auseinandersetzen, sondern lediglich auf eine Herabwürdigung der Person gerichtet sind, z. B. Beleidigungen.

Nach Auffassung des Gerichts bringt eine Notenbewertung, selbst wenn ihr ein Tatsachenkern zu Grunde liegt, eine persönliche Meinung zum Ausdruck, die nicht objektiv auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfbar ist. Das Gericht ordnet damit im Einklang mit vorangegangenen Entscheidungen anderer Gerichte die Notenbewertung in Bewertungsportalen als Meinungsäußerung ein, die grundrechtlich geschützt ist. Weiterhin stellte das Gericht klar, dass Meinungsäußerungen in Bezug auf die berufliche Tätigkeit eines Arztes nur dessen so genannte Sozialsphäre (im Gegensatz zur stärker geschützten Privat- und Intimsphäre) berühren und damit nur bei erheblichen Eingriffen das Persönlichkeitsrecht des Arztes verletzt wird und Sanktionen möglich sind.

Abschließend machte das Gericht deutlich, dass das Interesse der Allgemeinheit an den auf Bewertungsportalen geäußerten Meinungen als sehr hoch einzustufen sei. Solche Informationen und Erfahrungsberichte seien für Verbraucher unabdingbar, um Dienstleistungen zu bewerten und sich eine Meinung bilden zu können.

Fazit
Eine unzulässige Schmähkritik kann nach der richtigen Auffassung des Landgerichts bei einer reinen negativen Notenbewertung nicht vorliegen, so dass diese grundsätzlich nicht gerichtlich angegriffen werden kann. Durch das Urteil wird die bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach auch in ärztlichen Bewertungsportalen im Internet die Meinungsfreiheit gilt. Zwar darf der Nutzen der Bewertungen sicherlich in vielen Fällen angezweifelt werden; schlechte Bewertungen und Kritik an seiner Person oder Arbeitsweise muss der Arzt dennoch grundsätzlich hinnehmen, solange keine falschen Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden oder die Meinungsäußerungen die Grenze zur Schmähkritik überschreiten.

Quelle: RAin Rosemarie Sailer, LL.M. Medizinrecht
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