Vorsicht bei Empfehlungen von Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringern

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in zwei kürzlich veröffentlichten Parallelentscheidungen vom 13.01.2011 (I ZR 111/08 und 112/08) mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen die Zuweisung eines Patienten an einen bestimmten Hörgeräteakustiker unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig ist.

Die Berufsordnung der Ärzte selbst stellt hierzu in § 34 Abs. 5 BO fest, dass die Zuweisung eines Patienten an einen bestimmten Leistungserbringer zulässig ist, wenn für diese Empfehlung ein hinreichender sachlicher Grund besteht. Das Oberlandesgericht Celle hatte in der vorinstanzlichen Entscheidung in diesem Zusammenhang noch festgestellt, dass bereits die größere Bequemlichkeit eines bestimmten Versorgungsweges allgemein und für sich allein als hinreichender Grund für eine Verweisung ausreiche.

Dem ist der BGH nun entgegengetreten. Hinreichende Gründe im Sinne des § 34 Abs. 5 BO könnten sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus der Qualität der Versorgung, aus der Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten und aus schlechten Erfahrungen ergeben, die Patienten bei anderen Anbietern gemacht haben. Nur wenn ein solcher Grund vorliege, könne die Verweisung nicht verboten werden.

§ 34 Abs. 5 BO soll nach Auffassung des BGH die unbeeinflusste Wahlfreiheit des Patienten in Bezug auf Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen gewährleisten. Diese Wahlfreiheit sei schon dann beeinträchtigt, wenn der Arzt den Patienten von sich aus einem bestimmten Erbringer gesundheitlicher Leistungen nahe lege oder auch nur empfehle.

Eine unzulässige Verweisung liegt nach Auffassung des BGH immer dann vor, wenn der Arzt einen bestimmten Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfiehlt, ohne dabei vom Patienten konkret um Rat gefragt worden zu sein. Anders verhalte es sich aber, wenn der Patient den Arzt ausdrücklich um eine Empfehlung bitte. Schon die mit dem Behandlungsvertrag übernommene Fürsorgepflicht spreche dafür, dass der Arzt auf der Grundlage seiner Erfahrungen die erbetene Empfehlung erteilen dürfe, wenn nicht erteilen müsse.

Es entspreche auch einem berechtigten Interesse der Patienten, von Ärzten ihres Vertrauens bei Bedarf Empfehlungen für Leistungserbringer zu erhalten. Erbittet der Patient die Empfehlung, sei es zudem seine eigene Entscheidung, ob er sich bei der Ausübung seiner Wahlfreiheit beeinflussen lasse. Unter diesen Umständen sei es dem Arzt nicht zu zumuten, eine Empfehlung zu verweigern oder wider besseres Wissen außer dem seines Erachtens besten Anbieter weitere alternative Versorgungsmöglichkeiten anzugeben, die er für weniger geeignet hält.

Diese Entscheidung ist vor allem auch im Hinblick auf die Änderungen der Musterberufsordnung der Ärzte auf dem 114. Ärztetag in Kiel interessant. Dort hat das Verbot der unerlaubten Zuweisung eine inhaltliche Erweiterung erfahren: War es bislang nur verboten, ohne hinreichenden Grund Patienten an Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen zu verweisen, so gilt dieses Verbot nun auch für die Zuweisung von Arzt zu Arzt.

Hier dürften zukünftig die vom BGH genannten Grundsätze ebenfalls Anwendung finden. Bei der Musterberufsordnung handelt es sich allerdings lediglich um eine Empfehlung an die Landesärztekammern, so dass die Änderung der unerlaubten Zuweisung noch der Umsetzung in die unmittelbar geltenden Berufsordnungen der Landesärztekammern bedarf, damit sie unmittelbar Geltung gegenüber den Ärzten entfaltet.

Quelle: RAin Anna Stenger, LL.M. Medizinrecht
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