Kein Regress für Arzneimittelverordnung bei Mitarbeiterexzess

Ein Vertragsarzt haftet nicht im Rahmen eines sonstigen Schadens nach § 48 BMV-Ä, wenn eine Praxismitarbeiterin seine Verordnungsrezepte zur Bestellung von Arzneimitteln, die sie selbst nachlaufend auf dem Schwarzmarkt veräußert, missbraucht. Es liegt sodann ein „Mitarbeiterexzess“ vor. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Vertragsarzt ein schuldhaftes Verhalten, etwa durch Vorhalten von unterschriebenen Blankorezepten, vorgeworfen werden kann (Sozialgericht Schwerin am 14.06.2023, Az. S 6 KA 15/20).

Der Fall
Nach den Feststellungen aus einem parallelen Strafverfahren hatten eine medizinische Fachangestellte und eine pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte wie folgt gemeinsam agiert: Die MFA stellte ohne Wissen des Arztes Verordnungen für Patienten der Praxis aus, die dann von der PTA bestellt und in das Abrechnungssystem der Apotheke eingetragen wurden. Die Krankenkassen zahlten die hinterlegten Kosten für die Arzneimittel. Die tatsächlich an die Apotheke gelieferten Arzneimittel sonderte die PTA heimlich aus. Gemeinsam veräußerten die beiden diese sodann in der „Bodybuilderszene“ an unbekannte Dritte. Eine der betroffenen Krankenkassen verlangte den auf sie entfallenden Schaden von knapp 68.000 Euro von dem Vertragsarzt zurück, blieb jedoch auch im Klageverfahren erfolglos.

Die Entscheidung
Der Anspruch auf einen Regress im Wege des sog. „sonstigen Schadens“ nach §§47, 48 des Bundesmantelvertrags für Ärzte (BMV-Ä) setzt voraus, dass dem betroffenen Arzt ein Verschulden vorgeworfen werden kann. Vorliegend war aber – so das SG Schwerin – weder nachweisbar, dass die Verordnungen von dem Arzt selbst ausgestellt bzw. gezeichnet wurden, noch dass er eine der im Folgenden dargelegten ärztlichen Pflichten verletzte oder dass er für das Verhalten der ehemaligen Praxisangestellten aus sonstigen Gründen einzustehen hatte.

Zwar führte die MFA an, dass ihr das Ausstellen der gefälschten Verordnungen nur durch bereits vom Arzt gezeichnete Blankorezepte möglich gewesen sei. Dem standen jedoch Aussagen aller weiteren Praxismitarbeiterinnen wie auch des Arztes gegenüber, wonach gerade keine Blankorezepte in der Praxis existierten. Letztlich war – trotz einer Unterschriftenprobe – nicht feststellbar, dass die gefälschten Verordnungen auf Blankorezepten ausgestellt worden waren. Diese sog. „non-liquet-Situation“ gehe zu Lasten der für das Verschulden des Arztes beweisbelasteten Krankenkasse, so dass die Klage abzuweisen war.

Fazit
Die Entscheidung ist insoweit zu begrüßen, als die Anforderungen des sonstigen Schadens insbesondere im Hinblick auf das Verschulden streng geprüft werden. Der betroffene Arzt hat gleichwohl Glück gehabt. Dem Gericht wäre es durchaus möglich gewesen, eine andere Wertung der Zeugenaussagen vorzunehmen.

Quelle: RA, FA für MedR Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund/Hagen/Münster/Köln, www.kanzlei-am-aerztehaus.de


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