VStG: Praxisabgabe in Städten künftig unmöglich?

Das neue Versorgungsstrukturgesetz regelt im neuen § 103, Abs. 3a, dass der Zulassungsausschuss darüber entscheidet, ob ein ganzer oder halber Vertragsarztsitz auf einen Nachfolger übertragen werden kann. Wenn nach Einschätzung des Zulassungsausschusses eine Nachbesetzung dieses Vertragsarztsitzes unter Versorgungsgesichtspunkten nicht erforderlich ist, kann die Übertragung auf einen Nachfolger abgelehnt werden. In diesem Fall hat die Kassenärztliche Vereinigung dem Vertragsarzt, dessen Zulassung eingezogen wird, eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes der Praxis zu bezahlen.

Die Möglichkeit dieses Einzuges von Vertragsarztsitzen entfällt, sofern ein Vertragsarzt seinen Sitz an ein Familienmitglied übertragen möchte oder an einen Arzt, der bereits als Angestellter oder Partner in seiner Praxis tätig ist.

Welche ökonomischen Folgen wird nun diese Regelung künftig haben?

1. Höhe der Abfindung unklar bzw. streitig
Es ist absehbar, dass es in Fällen, in denen einer Übertragung eines Vertragsarztsitzes auf einen Nachfolger durch den Zulassungsausschuss widersprochen wird, zu Auseinandersetzungen zwischen der KV und dem Praxisinhaber über die Höhe der Abfindung kommen wird. Diese Abfindung soll laut Gesetzestext der Höhe des Verkehrswertes der Praxis entsprechen. Die Verkehrswert-Ermittlung hängt jedoch wesentlich von den gewählten Berechnungsparametern ab. Es ist anzunehmen, dass KV und Praxisinhaber in vielen Fällen unterschiedliche Verkehrswerte ermitteln.

2. Vermeidungsstrategien
Das Gesetz eröffnet Hintertüren, um dem Einzug eines Vertragsarztsitzes durch den Zulassungsausschuss zu entgehen. Hierzu zählt die Weitergabe des Vertragsarztsitzes innerhalb der Familie. In Fällen, in denen dies nicht möglich ist, kann der Sitz an einen in der Praxis bereits tätigen Arzt (Angestellten oder Partner) übergeben werden. Wer seine Praxis also als Berufsausübungsgemeinschaft führt, darf der Veräußerung seines Praxisanteiles vermutlich gelassener entgegensehen, sofern die Praxispartner als Käufer des Sitzes infrage kommen (und diesen dann ggf. als Angestellten-Sitz fortführen).

Um die Übergabe einer Einzelpraxis an einen Nachfolger sicherzustellen, ist bei frühzeitiger Planung die vorzeitige Aufnahme des gewünschten Praxis-Nachfolgers als Job-Sharer in die eigene Praxis denkbar. Dies kann dann sinnvoll sein, wenn der mutmaßlich realisierbare Praxiswert über der von der KV zu erwartenden Abfindung liegt oder wenn die Praxis aus anderen Gründen unbedingt fortgeführt werden soll.
Aus ökonomischer Sicht ist zu bedenken, dass durch ein Job-Sharing der bisherige Honorarumfang der GKV-Praxis eingefroren wird. Die Vergütung für den Job-Sharer in der Übergangsphase kann also nicht durch Honorarzuwächse im GKV-Bereich erwirtschaftet werden. Sofern keine Zuwächse im PKV-Bereich möglich sind, muss der Praxisinhaber die Vergütungen des Job-Sharers durch eigenen Gewinn-Verzicht bezahlen.

3. Vermutliches Verhalten der Zulassungsausschüsse
Die Zulassungsausschüsse sind paritätisch mit Vertretern der Kassen und Ärzten besetzt. Da die Abfindung eines eingezogenen Vertragsarztsitzes aus dem Honorartopf der KVen zu bezahlen ist, dürften die ökonomischen Interessen der niedergelassenen Ärzteschaft einer systematischen Einziehung von Sitzen entgegenstehen. Nach Aussage von Medizinrechtlern ist die Einziehung eines Vertragsarztsitzes gegen die Stimmen der Ärzte im Zulassungsausschuss nicht möglich, so dass in der Tat fraglich ist, ob die Einziehung tatsächlich in großem Stile erfolgt.

Tipp: Bei Fragen zur Ermittlung des Verkehrswertes Ihrer Praxis (relevant für die Abfindungszahlung der KV bei eingezogenem Sitz) können Sie Kontakt mit den Sachverständigen des Sachverständigeninstitutes G.+O. Frielingsdorf und Partner aufnehmen (Tel. 0221 / 139 836-77 oder info@frielingsdorf.de).


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