Zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot einer Gemeinschaftspraxis

Bei Auflösung einer Gemeinschaftspraxis wird oft über das Wettbewerbsverbot gestritten, das dem ausscheidenden Gesellschafter verwehren soll, in unmittelbare Konkurrenz zu seiner bisherigen Gemeinschaftspraxis zu treten. Während der Gründungsphase einer Gemeinschaftspraxis wird die spätere Trennung häufig naturgemäß nicht detailliert geregelt, so dass die Wettbewerbsverbote im Gesellschaftsvertrag kaum Beachtung finden. Wie die hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen zeigen, ist jedoch bei der Formulierung des Wettbewerbsverbots besondere Sorgfalt geboten. Denn die Folge eines Wettbewerbsverbots, das nicht den Vorgaben der Rechtsprechung entspricht, ist die Unwirksamkeit der Klausel, so dass sich der ausscheidende Partner theoretisch „nebenan“ niederlassen und die Patienten „mitnehmen“ könnte.

Dies ist ein Ergebnis, das von den verbleibenden Gemeinschaftspraxispartnern sicherlich nicht gewünscht wird. Andererseits darf dem ausscheidenden Arzt auch kein faktisches Berufsverbot aufgebürdet werden; dies verstieße nicht zuletzt gegen das Grundgesetz, in dem die Berufsfreiheit geschützt wird. Die Berufsausübungsfreiheit darf nur insoweit eingeschränkt werden, als dies notwendig ist, um die bisherigen Partner des ausscheidenden Arztes vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Berufsübung durch den Ausscheidenden zu schützen. Daher darf das Wettbewerbsverbot in räumlicher, zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht das hierfür notwendige Maß nicht überschreiten.

Vor dem Hintergrund dieser Maßgaben hat das OLG Düsseldorf in einem aktuellen, instruktiven Urteil eine Wettbewerbsklausel als rechtswidrig erachtet: Der Gesellschaftsvertrag verbot dem aus der Gemeinschaftspraxis ausscheidende Gesellschafter für den Zeitraum von fünf Jahren nach dem Ausscheiden, sich in dem betroffenen Zulassungsbezirk als Arzt in freier Praxis zur Ausübung privat- und/oder kassenärztlicher Tätigkeit niederzulassen. Diese Regelung berücksichtigte nach Auffassung des OLG zu einseitig die Interessen der Gesellschafter an der Fortführung der Gemeinschaftspraxis. Denn dieses Verbot führte zur Ausschaltung des ausscheidenden Arztes als Konkurrent, da es ihm jegliche vernünftige Möglichkeit für eine Fortführung seiner Tätigkeit als Vertragsarzt nahm. Der ausscheidende Arzt hätte den Zulassungsbezirk verlassen und sich örtlich gänzlich neu orientieren müssen, wobei ungewiss gewesen wäre, ob in einem der benachbarten Bezirke überhaupt in absehbarer Zeit eine vertragsärztliche Zulassung erhalten werden könnte.

Auch in gegenständlicher Hinsicht war das Wettbewerbsverbot zu weit gefasst: Dem Arzt wurde jegliche Tätigkeit als Arzt in freier Praxis – ungeachtet des Fachgebiets – untersagt. Dies komme einem Berufsverbot zu Lasten des ausscheidenden Gesellschafters gleich. Damit war die Klausel in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall in räumlicher und gegenständlicher Hinsicht zu weit gefasst und insofern sittenwidrig und nichtig. Die zeitliche Höchstgrenze für nachvertragliche Wettbewerbsverbote wurde vom Bundesgerichtshof wiederholt mit zwei Jahren angegeben.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.03.2007, I 9 U 46/07)

Praxistipp: In vielen Gemeinschaftspraxisverträgen findet sich – standardmäßig – eine sogenannte „salvatorische Klausel“. Diese soll bewirken, dass unwirksame vertragliche Klauseln den Vertrag im Übrigen unberührt lassen und durch eine Klausel ersetzt werden sollen, die inhaltlich der unwirksamen Klausel nahe kommt. Allerdings kann auch eine derartige salvatorische Klausel ein sittenwidriges Wettbewerbsverbot nicht „retten“. Denn dem Gericht ist es verwehrt, rechtsgestaltend die unwirksame Regelung durch eine örtliche und gegenständliche Anpassung des Wettbewerbsverbots zu ersetzen. Darüber hinaus soll der Verwender sittenwidriger Klauseln nicht als einziges Risiko eine Rückführung der sittenwidrigen Regelung auf das zulässige Maß fürchten, sondern die ersatzlose Streichung der Bestimmung gewärtigen müssen.

Quelle: RA Olaf Walter, Fachanwalt für Medizinrecht
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